Mit rekordverdächtigen 228 gültigen Bewerbungen hat die Jury des Lotto Brandenburg Kunstpreis Fotografie auch in diesem Jahr alle Hände voll zu tun. Wir schauen mit Ulrike Kremeier durch geschulte Augen hinter die Kulissen des Wettbewerbs und auf die Arbeit der Jury.

Mit bis zu 15 Fotoarbeiten pro Einsendung – alle mit unterschiedlichen Themen, Formaten und Umsetzungen – ist die Arbeit der Jury des Kunstpreis Fotografie eindeutig keine leichte. Nachdem sämtliche Bewerbungsunterlagen vom Stab Unternehmenskommunikation akribisch organisiert wurden, müssen von der Jury hunderte Bilder gesichtet, evaluiert und gegeneinander verglichen werden.

Ulrike Kremeier kann als Direktorin des Brandenburgischen Landesmuseums für Moderne Kunst ihre jahrelange Kunsterfahrung in der dreiköpfigen Jury zur Geltung bringen. Bereits seit 2015 ist sie mit dem Kunstpreis Fotografie verbunden. Für Teil 1 unseres Interviews fragten wir sie vor der diesjährigen Jury-Tagung, wie dieser große Berg Arbeit gemeinsam bewältig wird.

Frau Kremeier, wie genau läuft die Jury-Tagung eigentlich ab?

UK: Wir beginnen die Jury-Tagung in der Regel mit einer Lagebesprechung, die erfreulicherweise von gutem Kaffee und Schokolade begleitet wird. Diese Besprechung dient dazu, einen Überblick über die Anzahl an gültigen Bewerbungen zu erhalten und das Abstimmungsverfahren zu besprechen.

Wir beginnen mit individuellen Sichtungsdurchläufen, bei denen jedes Jurymitglied Notizen macht. Wenn wir alle Dossiers gesehen haben, gehen wir in die Bewertungsrunden, indem wir Bewerbung für Bewerbung gemeinsam betrachten, besprechen und selektieren. Diese gemeinsamen Runden und Diskussionen werden dann solange wiederholt bis die Preisträger*innen feststehen.

Besucher in der Ausstellung des Kunstpreis Fotografie 2020 vor Bildern der Preisträgerin Marlene Pfau.

Da die Bewerbungen anonymisiert sind, liegen der Jury nur die Bildserien und kurze Konzepttexte vor. Wir können uns also voll auf die Auseinandersetzung damit konzentrieren und bewerten lediglich die jeweiligen Arbeiten, nicht hingegen ein gesamtes künstlerisches Oeuvre oder den/die Künstler*in selbst. Denn beides kennen wir gar nicht.

Worauf achten Sie persönlich bei der Bewertung der Arbeiten besonders?

UK: Auf künstlerische Qualität! Und diese setzt sich immer aus einer Kohärenz von Inhalt und Form zusammen. Interessante Inhalte / Themen auf schlechten Bildern stehen hierbei genauso auf meiner Streichliste wie technisch gut gemachte Aufnahmen, die aber nur auf sich selbst und ihre Machart Bezug nehmen.

Gibt es eine Art „Aufgabenteilung“ zwischen den Jury-Mitgliedern, z.B. vor allem bestimmte Charakteristiken der Arbeiten zu bewerten?

UK: Alle Jurymitglieder sind gleichberechtigt. Eine feste Aufgabenverteilung gibt es nicht. Schön ist immer, wenn sich die Expertisen ergänzen, aber nicht identisch sind. Die Komplementarität der Jurymitglieder hat bisher immer erfreulich gut geklappt.

Ist sich die Jury üblicherweise schnell einig in ihrer Einschätzung der Preisträger? Wie werden konträre Positionen aufgelöst?

UK: Das ist sehr unterschiedlich und hängt natürlich stark von den Bewerbungen ab. Konträre Positionen werden durch Diskussionen aufgelöst! Das nimmt manchmal durchaus viel Zeit in Anspruch und ist beizeiten anstrengend, macht aber auch Spaß. Denn man muss genau hinsehen, argumentieren und abwägen.

Wir danken Frau Kremeier für ihre interessanten Einblicke in die Arbeit der Jury. Teil 2 des Interviews zur Wertigkeit von Fotografie in der aktuellen Kunstlandschaft folgt in der kommenden Woche.