Die fachkundige Jury des Lotto Brandenburg Kunstpreis Fotografie blickt auch in diesem Jahr mit geschulten Augen und viel künstlerischem Wissen auf insgesamt 228 Bewerbungen. In Teil 2 unseres Interviews mit Jurorin Ulrike Kremeier sprechen wir über die Wertigkeit von Fotografie in der Kulturlandschaft.
Was macht künstlerische Fotografie aus und wie erkennt man ihre Qualität? Mit ihrer langjährigen Erfahrung als Direktorin des Brandenburgischen Landesmuseums für Moderne Kunst und in der Jury des Kunstpreis Fotografie ist Ulrike Kremeier zu diesem Thema eine mehr als geeignete Gesprächspartnerin. In Teil 2 unseres Interviews schätzt sie außerdem aktuelle Trends ein.
Worin liegt für Sie die Faszination an fotografischen Projekten?
UK: Die Fotografie ist – im Verhältnis zur Malerei beispielweise – ein Medium, das unterschiedliche Geschwindigkeiten im Denk-, Seh- und Produktionsprozess in sich vereint.
Wenn ein*e Künstler*in über ein grundsätzliches Bildkonzept und eine Methode verfügt, ist eine Fotografie – technisch betrachtet – schnell gemacht. Das ist aber nur tragfähig, wenn die/der Künstler*in zuvor eine künstlerische Haltung entwickelt hat. Zu dieser Haltung gehört auch, dass man einem Werk gewisse Fragen, vielleicht sogar Unsicherheiten ansieht.
Es gibt durchaus gute Schnapp-/Schnellschüsse. Manchmal verwechseln Menschen auch eine stilistische Handschrift mit einer visuellen Masche. Letzteres ist eine ästhetische Oberfläche, die dann völlig unreflektiert und geradezu als Selbstzweck fortwährend (re-)produziert und über alles drüber gestülpt wird. Das Alles sieht man Bildserien schnell an, wenn man sich mit Fotografie ernsthaft beschäftigt.
Ich persönlich habe ein großes Faible für Zyklen mit einer poetisch-fiktionalen Komponente, deren Einzelbilder aber auch autonom funktionieren und die über das Abbildhafte deutlich hinausgehen.
Sehen Sie nach jahrelanger Museumsarbeit immer auf den ersten Blick, welche Arbeiten gut sind? Wie trainieren Sie Ihr „künstlerisches Auge“?
UK: Viel anschauen, viel lesen, immer wieder die (eigenen) Bewertungskriterien kritisch hinterfragen und schärfen für Gehirn und Auge. Berufs- und ausbildungsbedingt habe ich hierbei einen kunsthistorisch geprägten Blick.
Die Erkennbarkeit von Qualität auf den ersten Blick setzt ein bisschen Zeit und Intensität des Sehens voraus. Aber gerade bei Wettbewerben sehen sich immer mehrere Menschen alle Werke mehrfach an. Die Chance, dass dabei etwas Wichtiges und wirklich Gutes übersehen wird, geht daher quasi gegen Null.
Haben Sie über die Jahre verstärkt bestimmte Trends in den künstlerischen Arbeiten wahrgenommen?
UK: Gesellschaftsrelevante Themen sind in den letzten Jahren wieder wichtiger geworden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Fotografie auf eine dokumentarische Zeugenschaftsfunktion reduziert wird. Wenn die Repräsentation von Inhalten nicht an einen konzeptuellen Ansatz und eine ästhetische Haltung geknüpft ist, dann kippt der künstlerische Blick in einen journalistischen.
Das passiert manchmal – beizeiten sogar guten und wichtigen Künstler*innen – und ist auch nicht schlimm. Nur ist es eben dann nicht mehr mit künstlerischen bzw. kunsthistorischen Kriterien zu bewerten.
Wie bewerten Sie den Kunstpreis Fotografie innerhalb der Brandenburger Kulturlandschaft?
UK: Der Kunstpreis Fotografie ist der am höchsten dotierte Kunstpreis, der im Land Brandenburg vergeben wird. Egal, von welcher Kategorie und welchem Preisgeld wir hierbei sprechen, ermöglicht der Erhalt des Kunstpreises den Künstler*innen außerdem eine veritable Produktion und ist ebenso eine Auszeichnung, die Reputation und Netzwerke nach sich zieht.
Wir danken Frau Kremeier für ihre Einblicke hinter die Kulissen des Kunstpreis Fotografie und freuen uns auf die Ankündigung der diesjährigen Preisträger*innen im Mai.
„Die Chance, dass dabei etwas Wichtiges und wirklich Gutes übersehen wird, geht daher quasi gegen Null.“
Aus den 228 Einsendungen werden ein Hauptpreis und zwei Förderpreise verliehen. Die Anzahl der guten und wichtigen Arbeiten ist aber sicherlich höher. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn die Jury auch eine Shortlist von 5 bis 10 Arbeiten für den Hauptpreis veröffentlichen würde. Eine kleine Anerkennung für die andere Projekte.