Vor dem Gesetz sind Männer und Frauen in Deutschland gleichgestellt. Doch im beruflichen und privaten Leben ist dieses hehre Ziel leider in vielen Bereichen weiterhin mehr Ideal als Realität. Deshalb ist auch heute die Mädchenförderung ein hochaktuelles Thema. Gedanken von Lotto Brandenburgs Geschäftsführerin Kerstin Kosanke zum Anlass des Equal Pay Day.
Der Equal Pay Day zeigt, dass sich die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau im beruflichen Leben noch nicht wiederfindet. Durchschnittlich 19 Prozent weniger Gehalt wird weiblichen Arbeitnehmern in Deutschland gezahlt, noch immer ein viel zu hoher Wert.
Auch der Anteil von Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen ist problematisch. Denn hier sind Frauen in Deutschland durchweg unterrepräsentiert, obwohl unser Land in anderen Bereichen so fortschrittlich ist.
Umdenken ist nötig
Meines Erachtens hat dies historische und gesellschaftspolitische Gründe, welche bis heute in vielen Köpfen und Verhaltensweisen tief verankert sind. Regelmäßig stolpere ich über Ausdrücke wie „Heulsuse“, „Benimm dich nicht so mädchenhaft!“ oder den viel zitierten „Hausfrauentest“. Diese Ausdrücke zeigen deutlich, dass mit dem weiblichen Geschlecht Schwäche und Dummheit assoziiert wird – und das, obwohl beispielsweise Studentenzahlen einen ungefähr gleichen Anteil von Frauen und Männer aufweisen.
Doch diese Verteilung findet sich in den Führungsetagen zu meinem großen Bedauern nicht wieder. Ich frage mich, wo sind all die qualifizierten Frauen? Jedenfalls nicht in dem Maße in den Führungsetagen, dass man hier von Gleichberechtigung sprechen könnte.
Hierzu ist in den Medien oft von der sogenannten gläserne Decke die Rede – welche tatsächlich existiert. Dabei sehe ich dringenden Handlungsbedarf der Politik und unterstütze die viel diskutierten Quotenregelungen für Frauen. Denn aus meiner Sicht ist der Wirtschaft an dieser Stelle wenig gelungen.
Früh mit der Förderung beginnen
Im täglichen Umgang mit Mädchen erlebe ich auch immer wieder, dass eine Reduktion auf das Äußere stattfindet. Es erinnert an die Devise: „Du musst nichts im Kopf haben, schön aussehen reicht“. Die Aufgabe von Frauen sei es, Kinder zu gebären und dem erfolgreichen Mann den Rücken frei zu halten. Wenn wir tatsächliche Gleichberechtigung hätten, würde dieses Modell allerdings auch umgekehrt funktionieren, selbstverständlich mit Ausnahme der Schwangerschaft.
Deshalb ist es mir besonders wichtig, Mädchen schon früh beizubringen, dass sie genau dasselbe können wie Jungs. Andersherum gilt dies auch: Jungen sind genauso wie Mädchen in der Lage, mit einer Nähmaschine umzugehen, im Haushalt zu helfen oder sich um die jüngeren Geschwister zu kümmern.
Die eigene Geschichte zur Lehre
Zu Beginn meines Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam wurde verkündet, dass wir der erste Jahrgang waren, in dem sich mehr Frauen als Männer eingeschrieben hatten. Kurz danach stellte sich uns die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Potsdam vor.
Mit 19 Jahren war es für mich und viele andere aus meiner Studiengruppe unverständlich, dass wir in einem modernen Staat noch eine Gleichstellungsbeauftragte benötigen. Anfänglich haben wir diesen Umstand nur belächelt und dem Thema keine weitere Bedeutung beigemessen.
Nach dem Studium bemerkte ich jedoch im Rahmen von Bewerbungs- und Auswahlverfahren zu meinem großen Erstaunen, dass zwischen Absolventinnen und Absolventen durchaus unterschieden wurde. Frauen würden ja noch Kinder bekommen und dementsprechend für längere Zeiträume ausfallen.
Ich sah mich in Bewerbungsgesprächen tatsächlich mit der intimen Frage konfrontiert, ob und wie viele Kinder ich haben möchte und wann. Dies sei für die Stellenplanung entscheidend. Diese Herangehensweise irritierte mich sehr, denn sie ist für mich in jeder Hinsicht zu kurz gedacht.
Ungleiches Berufsleben
Im Rahmen meiner langjährigen Tätigkeit als Rechtsanwältin habe ich auch die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter zu spüren bekommen. Bei Gerichtsterminen sah ich mich sehr oft als einzige Frau einem Richter und einem gegnerischen Anwalt gegenüber. Nicht selten kam es zu verbalen Herabwürdigungen mit Bezug auf vermeintlich weibliche Eigenschaften wie Weichheit und Emotionalität.
Die Existenz einer Frau im Berufsstand der Rechtsanwälte wurde belächelt und mit Augenrollen quittiert. Nach dem Motto: „Oh, eine Frau auf der Gegenseite, das wird wieder kompliziert!“ Frauen seien ja angeblich so.
In einem Bereich gibt es in der Rechtsanwaltstätigkeit jedoch durchaus Gleichberechtigung: Die Bezahlung richtet sich nach einer festgesetzten Vergütungstabelle, welche nicht nach dem Geschlecht der Rechnungsstellenden unterscheidet.
Mit gutem Beispiel voran
Heute sehe ich mich durchaus in einer Vorbildfunktion für Mädchen und junge Frauen, da ich meinen eigenen Weg gegangen bin. Ich wusste stets, was ich wollte, und sehe mich persönlich und fachlich in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Führung macht mir Freude!
Ich engagiere mich auch politisch und finde es ausgesprochen wichtig, dass in Unternehmen eine Heterogenität der Geschlechter vorherrscht. Nur Männer oder nur Frauen in einem Unternehmen zu beschäftigen, bringt nie die Ergebnisse, die man haben könnte, wenn man eine gut durchmischte „Truppe“ hinter sich hat. Deshalb wird auch bei Lotto Brandenburg die Frauenförderung großgeschrieben.
Politische Chancen & Pflichten
Insbesondere den Anspruch auf gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit halte ich für zwingend notwendig sowie das Durchbrechen der gläsernen Decke – für eine Berufswelt mit mehr Frauen in Führungspositionen.
Hierzu sollte aus meiner Sicht die Familienarbeit anders verteilt werden. Dafür sind moderne, den Bedürfnissen der Familien angepasste Arbeitszeitmodelle notwendig. Hier kann die Politik handeln.
Denn ich erlebe junge Männer in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die gern deutlich gleichberechtigter leben würden. Aufgrund veralteter Strukturen in ihren Unternehmen und Ernährer-Denken in den Köpfen der vorherigen Generationen können sie dies jedoch nicht oder nur sehr beschränkt umsetzen.
Zudem zielt das Steuersystem in unserem Land darauf ab, das Gehalt des geringer verdienenden Partners prozentual deutlich höher zu besteuern. Aus den genannten Gründen ist dies in der Regel die Frau. Damit findet eine zusätzliche Entwertung der Arbeit statt. Auch im eigenen Bekanntenkreis habe ich miterlebt, wie dazu Rechnungen aufgemacht wurden: Dass die Frauen nach der Geburt der Kinder zu Hause bleiben sollten, da sich ihre Arbeit finanziell sowieso nicht lohnt.
Es gibt noch viel zu tun
Eins würde ich gern Mädchen von Anfang an mitgeben: Es macht keinen Unterschied, mit welchem Geschlecht man geboren wird. Ich denke, hier ist in der Erziehungsarbeit noch viel zu tun. Man muss aufklären, ins Gespräch gehen mit Eltern, Großeltern etc.
Ich denke auch, dass die Darstellung der Frau in den Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung sich weiter ändern sollte, um uns endgültig vom Status „Beiwerk“ oder auch reine „Quote“ zu verabschieden.